Pia Kambergs (rechts im Bild) und Johanna Dahlmann präsentieren gemeinsam mit Geschäftsführer Dr. Jan Boomers ihre Ernte von der Gras-Sternmiere aus der eigenen Wildpflanzen-Vermehrung der Biostation (Foto: Christian Beier)

Projekt „Bergisches Saatgut für Bergische Vielfalt“

Biologische Station bringt erste Regiosaatgut-Ernte aus eigenem Anbau ein

In diesem Jahr bringt die Biologische Station Mittlere Wupper die erste Ernte aus der Vermehrung von regionalen Wildpflanzen auf einer Anbaufläche in der ehemaligen Stadtgärtnerei Solingen ein. Die Technischen Betriebe Solingen haben der Biologischen Station einen Teil des Freigeländes sowie eines der Gewächshäuser zur Vermehrung von Saatgut regionaler Wildkräuter im Rahmen einer gemeinsamen Nutzungsvereinbarung zur Verfügung gestellt. In diesem Jahr trägt die harte Arbeit zur Wiederbelebung der alten Gärtnereiflächen und zur Anzucht der jungen Wildpflanzen endlich Früchte und die erste Regiosaatgut-Ernte wird derzeit eingebracht.

Das Saatgut von Weißem Labkraut, Sumpf-Hornklee, Grassternmiere und anderen Wildkrautarten wird im Rahmen des durch den Landschaftsverband Rheinland geförderten Projektes „Bergisches Saatgut für Bergische Vielfalt“ vermehrt, um in größeren Mengen zukünftig Landwirten für einen professionellen Wildpflanzenanbau zur Verfügung zu stehen. Ist erst genügend Saatgut vorhanden, so kann es genutzt werden, um artenarme Wiesenflächen im Bergischen Land wieder mit den bei uns typischerweise vorkommenden Wildkrautarten anzureichern. Dies verbessert den Lebensraum für zahlreiche Insekten-, Vogel- und auch Fledermausarten.

Regiosaatgut-Anbau – Ein neues Standbein in der Landwirtschaft

Artenreiche, blühende Wiesen, wie es sie früher in unserer Kulturlandschaft noch häufig gab, sind wertvolle Lebensräume seltener heimischer Wildpflanzen und vieler Insektenarten, wie Grillen, Heuschrecken, Schmetterlinge, Bienen, Hummeln und Schwebfliegen. Bodenbrütende Vögel ziehen hier ihre Jungen auf und Fledermäuse fangen über den Wiesen in den Nachtstunden ihre Nahrung. Vielerorts mussten diese artenreichen Mähwiesen intensiv genutztem, monotonem Grünland oder Ackerflächen weichen. Sie sind heute ein seltener und bedrohter Lebensraum.

Um artenreiche Mähwiesen als ein prägendes Element unserer Kulturlandschaft und ein bedeutendes Bindeglied im Biotopverbund zurückzugewinnen ist eine Rückkehr zu einer geeigneten extensiven Pflege und Nutzung wichtig, aber in vielen Fällen nicht mehr ausreichend: Die einst verbreiteten Pflanzenarten kehren nicht von alleine zurück, sie müssen durch die Übertragung von geeignetem Saatgut aus der Region (sog. Regiosaatgut) wieder in der Fläche angesiedelt werden. Mit der Rückkehr der Pflanzenarten werden dann auch die Tierarten zunehmend ihren alten Lebensraum zurückerobern.

Die Verwendung von Regiosaatgut bei Begrünungsmaßnahmen in der freien Landschaft ist seit 2020 gesetzlich vorgeschrieben. Zudem ist die Nutzung von Regiosaatgut auch in anderen Bereichen vor dem Hintergrund der Artenverarmung und des Insektensterbens sowie der Florenverfälschung politisch gewünscht und teilweise finanziell gefördert.

Da der steigende Bedarf an regionalem Saatgut durch den derzeitigen Anbau kaum gedeckt werden kann, haben Landwirte, z.B. aus dem Bereich Gemüseanbau, Garten- und Landschaftsbauer und verwandte Betriebszweige in diesem Bereich die Chance ein weiteres Standbein für ihren Betrieb aufzubauen oder ganz auf den Anbau von Regiosaatgut umzusteigen. Eine Beratung bei Anbau und Ernte der Wildkräuter-Kulturen erfolgt beispielsweise durch die Biologische Station oder einen entsprechenden Saatgutvertrieb.

Das Projekt „Bergisches Saatgut für Bergische Vielfalt“

In Anlehnung an die Empfehlungen der Biodiversitätsstrategie für Nordrhein-Westfalen diskutieren Untere Naturschutzbehörden und Biologische Stationen seit längerem Handlungskonzepte für das Bergische Land zur Wiederanreicherung stark verarmter Offenlandflächen mit den dort ursprünglich vorkommenden typischen Wildkrautarten. Aktuell sind für solche Vorhaben jedoch keine ausreichenden Mengen an standortgerechtem Saatgut vorhanden. Der Lösung dieses Problems widmet sich das Projekt „Bergisches Saatgut für Bergische Vielfalt“: Unter der Federführung der Biologischen Station Mittlere Wupper wird in Kooperation mit Landwirten der Region Saatgut von Wildpflanzenarten des Bergischen Landes gewonnen, vermehrt und für den Vertrieb aufbereitet. Ziel ist, über die Zusammenarbeit von Landwirten mit einem Saatgutvertrieb eine dauerhafte Quelle an Bergischem Regiosaatgut zur Renaturierung von Grünland, aber auch für kleinere Projekte von Privatpersonen zur Verfügung zu haben.

Das Projekt wird mit knapp 130.000 Euro durch den Landschaftsverband Rheinland gefördert und ist auf die Jahre 2018, 2019 und 2020 ausgelegt. Weitere Kooperationspartner sind die Biologischen Stationen Rhein-Berg und Oberberg sowie der Naturpark Bergisches Land.

Was genau ist Regiosaatgut?
Regiosaatgut ist das Saatgut gebietseigener Wildpflanzen, also von Pflanzen, die in dem Gebiet in dem sie wachsen natürlicher Weise verbreitet sind. Nach seiner Vermehrung bei einem Landwirt findet es in der freien Landschaft in der Region Verwendung, aus der es gewonnen wurde. Dies trägt dazu bei, dass die Vielfalt der für unseren Landstrich typischen Lebensräume erhalten bleibt und in jedem dieser Lebensräume die Pflanzenarten – und mit ihnen auch Tierarten – leben, die ihn natürlicherweise prägen.

Ansprechpartner für weitere Informationen und Beratung:
Biologische Station Mittlere Wupper e.V., Vogelsang 2, 42653 Solingen
Tel: 0212 25427-27, E-Mail: info@bsmw.de, www.bsmw.de
Projektkoordination: Dipl.-Biol. Johanna Dahlmann 0212-23073843, dahlmann@bsmw.deFachliche Projektbetreuung: Dipl.-Biol. Pia Kambergs 0212-2542730, kambergs@bsmw.de